Der Frank Götzke Blog

23. Januar 2025: DEI unheimliche und doch angespannte Ruhe am Abend vor dem Freitag

Januar 23, 2025 | by f0goet01@gmail.com

Ich habe wieder Wasser. Die Leitungen sind wieder aufgetaut ohne beschedigt zu sein. Aber das Tauwetter in Louiville hat keine Einfluss auf die amerikanische Politik. Wenn überhaupt, wird es sozial kälter in den USA. Jetzt wurden alle Bundesbeschäftigtigen, die im DEI-Bereich arbeiten auf unbefristet in den bezahlten Urlaub geschickt, mit der Absicht, sie sobald wie möglich zu entlassen. DEI: Diveristy, Equity and Inclusion. Diversität, Gerechtigkeit und Inklusion. Bald werden alle bundesstaatliche Gleichberechtigungsprogramme abgeschafft werden. Und das ohne dass irgendwelche Gesetze geändern werden müssen. Einfach nur weil niemand mehr die Programme umsetzen kann. Wirklich genial. Bang. Ruckzuck. Und das schon in der ersten Woche.

Ich habe heute doch tatsächlich meine Online-Gruppentherapiesitzung vergessen. Sie ist immer Donnerstag um 12 Uhr mittags. Ich habe einfach nicht daran gedacht, obwohl ich wirlich (meistens) sehr gerne dabei bin und heute auch dabeigewesen wäre. Und dann ist mir etwas eingefallen. Schon das letzte Mal als Trump an der Regierung war, habe ich immer wieder sehr wichtige Termine vergessen. Damals hatte mir das große Sorgen bereitet, und ich dacht schon an early-onset Demenz. Mein Hausarzt hat mit mir kognitive Tests gemacht und nichts Verdächtiges festgestellt. Er meinte, es sei wohl Stress. Und in der Tat, nach ein paar Jahren war es wieder verschwunden, ganz so, als ob nie etwas mit mir los war. Jetzt weiß ich was das Problem war, und wieder ist. Trump! Er verschafft mir so viel Stress. Ich fühlte mich damals traumatiersiert und jetzt wieder retraumatisiert. Erstens, Trump erinnert mich an meinen gewaltätigen Vater, mit dem ich heutzutage nichts mehr zu tun habe. Ihn ständig in den Nachrichten zu hören und sehen ist ganz schön stressig für mich. Zweitens, Trump hat den Alltag in Geiselhaft genommen. Andauernd ist die Erwartung da, dass etwas ganz Schlimmes passieren wird. Auch das ist sehr stressig und führt zu einer nicht endenden Anspannung. Rachel Maddows mal gesagt hat, Politik muss langweilig sein, damit man ein spannendes Leben führen kann. Jetzt ist Politik alles andere als langweilig, und das spannende Leben tritt ist kaum mehr möglich. Also, keine Überraschung, dass ich meine Therapietermin vergessen habe.

Was war das Schlimmste, das in den letzten Tagen passiert ist? Ich würde sagen, die Begnadigung der 1600 Straftgefangenen vom 6. Januar 2021. Ich finde das ein schwieriges Thema. Was damals passiert ist, würde ich schon irgendwie mit dem Hitlerputsch 1923 vergleichen wollen. Hier kommt wieder ein Vergleich mit Hitler. Was ich nicht damit ausdrücken möchte ist die Zwangsläufigkeit der Geschichte. Ich glaube nicht an den Determinismus, es gibt immer mehrere Möglichkeiten, wie die Zukunft sich entwickeln kann. Trotzdem, wir können aus der Geschichte lernen, so nach dem Motto, wie Mark Twain gesagt hat: „History doesn’t repeat itsself, but it often rymes.“ (Geschicht wiederholt sich nicht, aber oft reims sie sich.) Trotz meines Vergleichs, glaube ich, dass viele Menschen die damals sich an dem vereitelten Putsch beteiligt haben, Mitläufer waren, und es besser gewesen wäre, wenn die Gerichte sie nicht so hart verurteilt hätten. Das gilt natürlich nicht für die Anführer und diejenigen, die Gewalt gegen Menschen ausgeübt hatten. Also, von daher hätte ich mir durchaus gewünscht, dass Biden als President in einer Geste der nationalen Versöhnung genau die verurteiten, aber nicht gewaltätigen Demonstantinnen und Demonstranten begnadigt hätte. Wie anders hätte sich möglicherweise Geschichte entwickeln können? gUnd woher habe ich die Idee? 2018 hatte ich eine Artikel zum 50-jährigen Jubiläum der deutschen 68-er Bewegung gelesen. Darin wurde beschrieben, wie damals die Gerichte, durchaus milde Urteile gegen Demonstrantinnen und Demonstraten gefällt haben, die zwar Gesetze gebrochen hatten, aber halt nicht gewalttätig gegen Menschen waren. Das Argument war, dass Leute Fehler begehen, und die Richter (damals gab es noch sehr wenige Richterinnen), hatten sich durchaus an ihre eingene Jugend- und junge Erwachsenenjahre erinnert, in der sie während der Nazizeit ihren eigenen Feher begangen hatteen. Ich bin mir durchaus bewußt, dass der Vergleich ein bisschen hinkt, aber die grundsätzlich Idee ist schon recht ähnlich. Hätte Biden das gemacht, dann hätte Trump größer Schwierigkeiten gehabt, die Anführer und gewaltätigen Demonstrantinnen und Demonstranten zu begnadigen. Aber, das diese jetzt freigelassen werden, bereitet mir sehr große Angst. Das könnte der Anfang von einflussreichen paramilitärischen Organisationen werden, vergleichbar zur frühen SA, die zu mehr politischer Gewalt führen kann. Und dann erscheint magischerweise Trump um Gesetz und Ordnung wieder herzustellen und um sich als Retter Amerikas darzustellen.

Nun ist es spät und ich gehe bald schlafen. Ich bin froh, dass es ein wenig wärmer geworden ist, aber die Ruhe bleibt und ist beängstigend. Morgen ist Freitag, und ich frage mich was dann passieren wird. Am ersten Freitag Abend der ersten Trump-Regierung wurde der Muslim Travel Ban verkündet, der die Einreise aus muslimischen Ländern in die USA verhindern sollte. Das hatte System. Von da an sind immer wieder wichtige Politikentscheidungen am Freitagabend getroffen, vor allem um unter dem Radar zu bleiben. Immerhin fängt das Wochenende an. Die Presse hat mehr oder weniger frei, da die Samstagausgaben der Zeitungen schon gedruckt wurden und die Menschen wollen nicht von der Politk belästigt werden. Das Wochenende ist ja schließlich zur Erholung da. Bis zum Montag Morgen scheint alles nicht mehr so schlimm zu sein, aber vor allem auch ist es dann eh schon alter Kaffee von vorgestern, also keine berichtenswerte Neuigkeit mehr. Ich bin sowohl gespannt, als auch angespannt. Es fühlt sich wie die Ruhe vor dem Sturm an. Mal sehen.

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