Der Frank Götzke Blog

5. März 2025: Es ist einfach unfassbar, das ganze von Trump zugefügte Leid, aber genau deswegen müssen wir zuversichtlich bleiben

März 5, 2025 | by f0goet01@gmail.com

Vor knapp einer Woche waren es hier in Louisville minus 12 Grad. Vorgestern dann 20 Grad, gestern immerhin noch 16 Grad. Und heute schneit es schon wieder. Das Wetter spielt genauso verrückt wie die Politik. Totales Chaos. Einfach unfassbar.

Unfassbar ist genau das richtige Wort. Man kann es einfach nicht mehr begreifen, was da gerade geschieht. Es ist unfassbar, wie man einen früheren Freund, einen Verbündeten so fallen lassen kann, ihn den Löwen zum Fraß vorwirft. Doch Putin einen Löwen zu nennen, wäre noch zu freundlich. Löwen sind immerhin soziale Tiere. Putin ist nicht sozial. Vielleicht ist er eher ein Bär, ein großer russischer Bär, ein Einzelgänger, einsam und aggresiv. Denn niemand will mit ihm sein, außer Trump. Auch er ist ein Einzelgänger, einsam und aggresiv.

Unfassbar, wieviel Leid damit verbunden ist. Wie viele Menschen noch sterben müssen, weil die USA die Ukraine nicht mehr ausrüstet. Unfassbar, die vielen eingestellten Programme der USAID. Geschlossene Krankenhäuser im Kongo, während dort gerade eine neue, noch unbekannte Epidemie ausbricht. Unfassbar, die nicht wiederhergestellte Stromversorgung in der Ukraine, die Menschen frieren und erfrieren lst, weil sie immer wieder von russischen Drohnen und Raketen zerstört wird. Unfassbar, dass AIDS-Kranke im südlichen Afrika nicht mehr mit Medikamenten versorgt werden. Einfach alles unfassbar. Wie kann man als Mensch verstehen, dass anderen ohne Not so viel Leid angetan wird? Dass ihnen die Würde genommen, ihnen Unrecht zugefügt wird? Das alles ist einfach unfassbar für ein so kleines Menschenhirn.

Heute hatte ich eine IFS-Gruppe. IFS steht für Internal Family System, oder auf Deutsch System der Inneren Familie. Das ist ein psychotherapeutischer Ansatz, in dem ich mich fortbilde, um später als Paartherapeut zu arbeiten. Jedenfalls hatten wir eine Gruppensitzung, in der wir darüber gesprochen haben, wie wir innerlich, emotional mit den Veränderungen in der Welt klarkommen. Es war ein sehr aufschlusßreiches und schönes Treffen für mich. Zwei besonders anregende Gedanken aus unserem Gespräch möchte ich teilen:

Erstens: Zu sagen „Das mit Trump wird schon nicht so schlimm“ bedeutet, bei Trump mitzumachen. Warum? Weil es nicht stimmt. Man belügt sich selbst. Es ist alles furchtbar schlimm. Wenn nicht für einen selbst, dann zumindest für viele andere, für die Ukrainer, die AIDS-Kranken im südlichen Afrika, die von Bundesbehörden Entlassenen. Zu sagen „Das wird schon nicht so schlimm“ ist Beschwichtigung, Verharmlosung, Beschönigung. Es ist, als würde man sagen: „Hitlers Autobahnen waren doch gut“, ganz so als könnte man die Autobahnen von all dem anderen Leid trennen. Am 16. Februar habe ich hier sinngemäss geschrieben: „Ein bisschen Hitler, ein bisschen Trump, ein bisschen Musk, das ist doch nicht so schlecht. Aber schon der Gedanke ist lächerlich.“

Zweitens: Wir müssen uns eingestehen, dass das, was gerade passiert, ganz fürchterlich ist. Unfassbar. Gleichzeitig brauchen wir dennoch den Glauben an die Zukunft, Vertrauen in die Menschheit, dass wieder Frieden einkehren wird, und auch innere Ruhe in uns selbst. Wir müssen beides gleichzeitig in uns halten können: das Entsetzen über das, was geschieht, und die Zuversicht, dass wir wieder herauskommen. Nur so können wir mit dieser Situation angemessen umgehen. Es erfordert große innere Stärke, zwei so widersprüchliche Gefühle zu vereinen. Wir müssen uns selbst nahe sein, das Unfassbare aushalten, Mitgefühl für die Leidenden zeigen, und dennoch den Glauben an eine bessere Zukunft nicht aufgeben. Das ist sehr schwierig, aber, davon bin ich überzeugt, der einzige gangbare Weg. Keine Ausreden wie „Es wird doch nicht so schlimm werden.“ Stattdessen müssen wir das zugefügte Leid anerkennen, Mitgefühl zeigen, und gleichzeitig zuversichtlich bleiben.

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