Der Frank Götzke Blog

19. Januar 2025: Der Tag vor der Trump Inauguration

Januar 19, 2025 | by f0goet01@gmail.com

Es ist wieder mal sehr, sehr kalt in Louisville, KY. Ein paar Schneereste liegen auf dem Boden. Aber irgendwie ist das ein Sonntag wie jeder andere. Alles ist ruhig. Es gibt nichts zu tun. Mir ist ein bisschen langweilig. Heute vormittag bin ich das erste mal seit dem ich wieder in den USA bin in das Fittnessstudio gegangen. Es ist das Student Recreational Center an der Universität und wirklich ganz anders als Kieser in Bremen. Danach habe ich mich mit Natalie getroffen, eine Professorin in Religious Studies, ursprünglich aus Kanada, und, außer mir, höchstwahrscheinlich die einzige andere Lehrende an der Uni, die mit dem Bus dorthin fährt. Anyway, wir haben auch über Trump geredet.

Morgen soll es also soweit sein. Trump wird zum zweiten Mal Präsident.Und seine Inauguration findet am Martin-Luther-King-Tag statt. Welche Ironie der Geschichte. Am Tag des Bürgerrechtlers wird ein Präsident vereidigt, der aller Voraussicht nach Bürgerrechte beschränken, wenn nicht sogar völlig zurücknehmen wird.

Es ist merkwürdig ruhig, so wie die Ruhe vor dem Sturm. Alles scheint normal, aber gar nichts mehr ist normal. Für mich als Deutscher fühlt es sich an wie 1933. Der 6. Januar 2021 war sozusagen der gescheitete Hitlerputch 2023, nur mit dem Unterschied, dass Hitler für ein paar Jahr ins Gefängnis musste und Trump es überrachenderweise (oder vielleicht doch nicht?) irgendwie geschafft hat darum zu kommen. Sogar noch eine Parallele gibt es: In drei Jahren, 2028, ist die Olympiade in Los Angelos, genau so wie in der Hitlerzeit mit der Olympiade 1936 in Berlin. Die offene Frage ist jetzt, ob es 2028 in den USA ähnlich sein wird wie 1936 in Deutschland? Keine freien Wahlen, keine Opposition, keine unabhängige Presse, politische Gefangene, etc.? Ich hoffe wirklich nicht, aber auschließen kann ich es auch nicht. Leider.

Was mit am meisten Angst macht, ist, dass es so wenig Widerstand hier in den USA gibt. Das war auch so in den ersten vier Trump-Jahren. Damals zuminstest, 2017 ein paar Tage nach der Inauguration, hatte alles ganz gut angefangen, mit dem Frauenmarsch in Washington. Ca. eine halbe Millionen Menschen hatten in D.C. gegen Trump protestiert. Weitere fast 5 Million Menschen waren in den anderen Städten Amerika’s auf den Straßen. Und heute? Nichts ist geplant. Rein gar nichts. Absolute Ruhe. Das ist das was ich mit Ruhe beschreiben möchte, die angebliche Normalität. Es scheint so, als ob alles schon aufgegeben hätten bevor die Auseinandersetzung überhaupt angefangen hat.

Ich habe einen guten Freund in Dayton, OH, Jim. Solange ich ihn kenne, und das ist jetzt schon fast 10 Jahre lang, war er eigentlich immer sehr politisch. Nicht wirklich links, eher in der Mitte, aber auf jeden Fall gegen Trump. Sehr ausgesprochen gegen Trump. Und jetzt? Nach der Wahl hat er alles Nachrichten-Apps auf seinem Handy deaktiviert. Er will nicht mehr über Politik reden. Er möchte sein Leben genießen. Es hat sich politisch total zurückgezogen. Und mit ihm viele, viele andere. Ich kenne so viele Leute, die mit mir nicht mehr darüber reden möchten. Sie können es einfach nicht mehr ertragen, die derzeitige Politik in den USA, Trump, MAGA. Und ich gebe ja auch gerne zu, es ist sehr schwer erträglich. Auch für mich. Obwohl ich eine optimistische Person bin. Im Moment schaut die Welt nicht sehr schön aus. Von daher kann ich es gut verstehen, dass Menschen lieber wegschauen wollen.

Aber das ist genau was Trump möchte. Wenn alle, die potenziel gegen ihn sind, wegschauen, dann kann er machen was er will. Das war schon unter Hitler so. Und das ist was Timothy Snyder in On Tyranny beschreibt, so wie schon vorher Hannah Arendt. Die unglaubliche Ruhe, das ist was am verstörensten ist, was mich am meisten aus der Ruhe bringt, mich total unruhig macht. Die Ruhe vor dem Sturm!

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