Der Frank Götzke Blog

14. Februar 2025: Scholz & Naiv

Februar 14, 2025 | by f0goet01@gmail.com

Ich habe mir heute das Scholz-Interview in Jung & Naiv angeschaut. Zunächst war ich ziemlich schockiert, wie wenig eloquent der Bundeskanzler wirkte. Er betonte zwar, dass er sehr belesen sei, doch wirklich gebildet erschien er mir nicht so recht. Er hatte keinerlei Kenntnisse über politische Philosophie und deren Geschichte sowie über Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie. Er wirkte naiv.

Ein Beispiel: Tilo Jung‘s Idee, einen Perspektivenwechsel vorzunehmen in er in der Rolle eines Aliens Scholz interviewte, der für die gesamte Menschheit sprechen sollte, war kreativ und interessant. Doch auf der einen Seite konnte sich der Bundeskanzler nicht wirklich darauf einlassen, vermutlich, weil er zu selbstbezogen ist und ihm schlicht die Fantasie dazu fehlte. Auf der anderen Seite war er nicht in der Lage, seine eigene Position kritisch zu reflektieren. Stattdessen antwortete er oft mit universellen Plattitüden. Dabei ignorierte er völlig moderne gesellschaftswissenschaftliche Erkenntnisse, die besagen, dass Menschen immer aus einer sozialen Position heraus argumentieren und Politik stets interessengeleitet ist. Ich hätte ihn wirklich intelligenter und weniger naiv eingeschätzt.

Doch der eigentliche Hammer kam mit der letzten Frage. In der Vergangenheit hat Deutschland in der Politik stets Seite an Seite mit den USA agiert. Wäre das auch noch möglich, wenn Amerika autoritär würde? Tilo Jung entschied bewusst, nicht zu sagen, ob die USA bereits autoritär seien; es war eine rein hypothetische Frage. Die Antwort des Bundeskanzlers war jedoch, dass dies eine „Nicht-Frage“ sei, weil Amerika als älteste Demokratie, als Befreier Deutschlands vom Nationalsozialismus und als bisher verlässlicher NATO-Partner niemals autoritär sein werde oder sein könne. Wie naiv kann man nur sein, so etwas zu behaupten? Glücklicherweise hat Tilo Jung genau das auch angesprochen.

Es ist ein grundlegendes Problem Deutschlands, das aus seiner Geschichte herrührt: Man setzt sich ohne jegliche Not selbst Denkverbote. Das zeigt sich in der Diskussion um die Regierungspolitik Israels, bei Vergleichen mit Hitler und eben auch bei der Bewertung der USA als Demokratie. Unglaublich, aber wahr!

Hier noch ein weiterer kleiner Einblick in die Entwicklung der USA hin zu einem autoritären Staat: Gestern hat die Justizministerin die Bundesstaatsanwaltschaft, die in den USA im Gegensatz zu Deutschland nicht unabhängig ist, angewiesen, die Korruptionsanklage gegen den Oberbürgermeister von New York fallen zu lassen. Der Grund? Trump wollte die Möglichkeit, die Ermittlungen wieder aufzunehmen, als Druckmittel nutzen, um den demokratischen Bürgermeister dazu zu bewegen, bei der Verfolgung von Migrantinnen zu kooperieren. Der Bürgermeister willigte ein, einfach um nicht ins Gefängnis zu müssen.

Die äußerst konservative, republikanische Staatsanwältin zog es daraufhin vor, zurückzutreten, anstatt dieser Anweisung Folge zu leisten. Sie argumentierte, dass die Anweisung eindeutig gegen ihr Verständnis des Rechtsstaatsprinzips verstoße. Danach wurde der Fall an die Korruptionsabteilung der Staatsanwaltschaft weitergegeben, woraufhin dort fünf weitere Staatsanwälte zurücktraten. Infolgedessen existiert nun de facto keine funktionierende Korruptionsabteilung mehr in der Staatsanwaltschaft.

Das ist natürlich äußerst praktisch für Trump; er muss die Korruptionsstaatsanwälte nun nicht einmal selbst entlassen. Soviel also zur Einschätzung von Scholz, dass die USA niemals autoritär werden könnten.

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